§16 BetrVG Bestellung des Wahlvorstands

Aus WahlWiki
Version vom 3. September 2014, 16:47 Uhr von MARK Wahlwiki 2013 (Diskussion | Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Weitere Informationen aus den Themenfeldern Bestellung des Wahlvorstands durch den Betriebsrat und Grundlegende Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes

Überblick über die Themen des WahlWiki

Du willst eine Frage zum Thema stellen, hast ergänzende Tipps oder Rechtsprechung parat? Einfach auf Diskussion klicken.

Du hast noch weitere Fragen? Schau´ doch mal in die FAQs! Oder stelle Deine Frage an die WahlWiki-Nutzer!



§ 16 Bestellung des Wahlvorstands

Wird angewendet im normalen und vereinfachten einstufigen (§14a (3) BetrVG) Wahlverfahren bei bestehendem Betriebsrat; für das vereinfachte einstufige Wahlverfahren modifiziert durch §17a Ziff. 1. und 2. BetrVG; entsprechende Vorschriften für das vereinfachte zweistufige Wahlverfahren: §14a (1) BetrVG, §§28, 29 WO.


(1) Spätestens zehn Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit bestellt der Betriebsrat einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist. Der Wahlvorstand muss in jedem Fall aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen. Für jedes Mitglied des Wahlvorstands kann für den Fall seiner Verhinderung ein Ersatzmitglied bestellt werden. In Betrieben mit weiblichen und männlichen Arbeitnehmern sollen dem Wahlvorstand Frauen und Männer angehören. Jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft kann zusätzlich einen dem Betrieb angehörenden Beauftragten als nicht stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlvorstand entsenden, sofern ihr nicht ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied angehört.

  • Das Gesetz gibt nur eine Mindest-Frist zur Bestellung an.
  • Ersatzmitglieder werden anders als im Betriebsrat den Wahlvorstandsmitgliedern direkt zugeordnet. Dies bedeutet, dass bei gleichzeitiger Verhinderung von Wahlvorstandsmitglied und Ersatzmitglied kein weiteres Ersatzmitglied zur Sitzung geladen werden darf, es sei denn, einem Wahlvorstandsmitglied wurde mehr als ein Ersatzmitglied zugeordnet, dabei ist dann jedoch die Reihenfolge des Nachrückens festzulegen.
  • Die Bestellung erfolgt auf einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung per ordnungsgemäßem Beschluss. Dieser Beschluss enthält die Benennung der Wahlvorstandsmitglieder, die Benennung des Vorsitzes; ggf. die Benennung eines stellvertretenden Vorsitzes; ggf. die Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder nebst Begründung, ggf. die Benennung der Ersatzmitglieder sowie ihre Zuordnung zu den Erstmitgliedern.
  • Nimmt ein bestelltes Wahlvorstandsmitglied die Bestellung für dieses Amt nicht an, so rückt keineswegs das Ersatzmitglied nach, sondern es ist in jedem Fall eine erneute Bestellung eines anderen Wahlberechtigten im Rahmen einer Beschlussfassung erforderlich. Wird ein bisheriges Ersatzmitglied als Hauptmitglied bestellt, so sollte zeitgleich ein neues Ersatzmitglied bestellt werden.


(2) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft; Absatz 1 gilt entsprechend. In dem Antrag können Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands gemacht werden. Das Arbeitsgericht kann für Betriebe mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern auch Mitglieder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, die nicht Arbeitnehmer des Betriebs sind, zu Mitgliedern des Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist.

(3) Besteht acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, kann auch der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat den Wahlvorstand bestellen. Absatz 1 gilt entsprechend.

Zeitpunkt der Bestellung

Das Gesetz gibt nur eine Mindest-Frist an, um dem Wahlvorstand genügend Vorbereitungszeit zu geben und eine betriebsratslose Zeit durch ein über das Ende der Amtszeit hinausgehendes Wahlverfahren zu vermeiden. Es ist daher unschädlich, wenn sich der Betriebsrat beim normalen Wahlturnus bereits im Dezember bzw. Januar das Thema auf die Tagesordnung setzt.

Dies hat den Vorteil, dass auch unerfahrenere Mitglieder des Wahlvorstands genügend Zeit haben, sich in das Wahlverfahren einzuarbeiten und dafür ggf. rechtzeitig eine entsprechende Schulung zu buchen und zu besuchen.

Gleichwohl sollte von einer zu frühen Bestellung abgesehen werden, denn ansonsten besteht die Gefahr, dass der Wahlvorstand seine Arbeit nicht ausreichend ernst nimmt, die notwendigen Schritte dadurch verschleppt werden und dann ein zu großer Unterschied zur Arbeitsbelastung entsteht, die durch das dann laufende Wahlverfahren unvermeidbar ist.


Praxis-Tipp

  • Ersatzmitglieder sollten auf jeden Fall bestellt werden. Diese können später dann auch gut als Wahlhelfer eingesetzt werden. Wer jeweils mehr als ein Ersatzmitglied bestellen will, kann, anstatt eine entsprechend große Zahl an neuen Wahlberechtigten zu suchen, für jedes Hauptmitglied eine Vertretungsreihenfolge der jeweils ersten Ersatzmitglieder festlegen (Beispiel: Vertretungsreihenfolge für Hauptmitglied A: 1. Ersatzmitglied für A, 2. Ersatzmitglied für C, 3. Ersatzmitglied für B).
  • Eine Erhöhung auf mehr als 3 Mitglieder bietet sich vor allem in größeren Betrieben und solchen mit mehreren Betriebsteilen an; dies gilt insbesondere dann, wenn in mehreren Wahllokalen gleichzeitig gewählt werden soll.
  • Um die Arbeitsbelastung aufgrund von Fristendruck nicht zu hoch werden zu lassen und auch grundsätzlich für Fristenpuffer zu sorgen, ist eine Bestellung deutlich vor der gesetzlichen Mindestfrist von 10 Wochen anzuraten.
  • Bei einer späten Bestellung durch Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat kommen nur erfahrene frühere Wahlvorstandsmitglieder infrage, da sich in der Kürze der Zeit ein grundsätzlicher Wissenserwerb schwierig gestaltet und Verzögerungen im Verfahren leicht zu einer betriebsratslosen Zeit führen können.


Rechtsprechung

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 27.7.2011, 7 ABR 61/10 Abbruch einer Betriebsratswahl - Fehler bei der Bestellung des Wahlvorstandes

Leitsätze

1. Auf Antrag des Arbeitgebers ist eine Betriebsratswahl abzubrechen, wenn sie voraussichtlich nichtig ist. Die bloße Anfechtbarkeit genügt nicht.

2. Einem nicht existenten Wahlvorstand kann untersagt werden, weiter tätig zu werden. Die nur fehlerhafte Bestellung reicht nicht aus.


LANDESARBEITSGERICHT NÜRNBERG 17.05.2013 5 TaBVGa 2/13

Leitsätze

Eine Erhöhung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Zahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern setzt im Falle des § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einen Beschluss des Betriebsrats und im Falle des § 17 Abs. 2 Satz 1 2. HS BetrVG eine Abstimmung im Rahmen einer Betriebsversammlung voraus.

Sind mehr Kandidaten für die Wahl des Wahlvorstands vorgeschlagen, als der Wahlvorstand Mitglieder hat, muss zwingend eine Abstimmung darüber erfolgen, wer dem Wahlvorstand angehören soll. Erfolgt eine solche Abstimmung nicht, ist der Wahlvorstand nicht wirksam bestellt worden.


Landesarbeitsgericht Köln, 12 TaBV 12/11

1. Ein erfolgreiches Anfechtungsverfahren hat - im Gegensatz zur Feststellung der Nichtigkeit - keine rückwirkende Kraft. Bis zur Rechtskraft eines arbeitsgerichtlichen Beschlusses über die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl ist der gewählte Betriebsrat mit allen Rechten und Pflichten im Amt. Dies hat zur Folge, dass dieser Betriebsrat gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BetrVG zur Bestellung des Wahlvorstandes verpflichtet ist. Dies führt dazu, dass bei einer Bestellung des Wahlvorstandes durch die Betriebsversammlung ein Verstoss gegen wesentliche Wahlvorschriften vorliegt, der nach § 19 Abs. 1 BetrVG zur Anfechtung berechtigt.

2. Es besteht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass ein Verstoß gegen Wahlvorschriften das Wahlergebnis beeinflusst hat. Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden. dass bei den Ermessungsentscheidungen, die der Wahlvorstand zu treffen hat, die fehlerhafte Bestellung mit einen Einfluss hat und damit auch das Ergebnis der Wahl nicht unberührt lässt (BAG vom 14.09.1988 - 7 ABR 93/87).

3. Bei der Bestellung des Wahlvorstandes handelt es sich gemäß § 16 BetrVG um eine zwingende Vorschrift und eine Pflicht des Betriebsrates, der er nachzukommen hat und die er nicht auf die Betriebsversammlung delegieren kann.


LArbG Berlin-Brandenburg 17.03.2010 15 TaBVGa 34/10

1. Eine Feststellungsverfügung, wonach die Einsetzung des Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl unwirksam sein soll, ist im einstweiligen Verfügungsverfahren unzulässig.

2. Die Bestellung eines siebzehnköpfigen Wahlvorstandes durch den Betriebsrat mit dem Ziel, neben 3 festen Wahllokalen u. a. 55 Filialen durch 11 mobile Wahlteams an einem Wahltag aufsuchen zu lassen, rechtfertigt keinen Abbruch der Betriebsratswahl, auch wenn bei der vorangegangenen Wahl nur 7 Wahlvorstandsmitglieder für 3 feste Wahllokale bestellt worden waren.

3. Dem Wahlvorstand kann die weitere Durchführung einer Betriebsratswahl nur in besonderen Ausnahmefällen untersagt werden. Dies ist nur dann der Fall, wenn Mängel in der Durchführung der Wahl nicht korrigiert werden können und die Weiterführung der Wahl mit Sicherheit eine erfolgreiche Anfechtung oder Nichtigkeit der Wahl zur Folge hätte.

4. Es kann offen bleiben, ob Mängel in der Wahldurchführung in analoger Anwendung § 19 Abs. 2 BetrVG innerhalb von zwei Wochen gerichtlich angegriffen werden müssen.


LAG Nürnberg 30.03.2006 6 TaBV 19/06

Bestellt der Betriebsrat eines Betriebes ohne Außenstellen einen neunköpfigen Wahlvorstand mit der Begründung, er wolle, dass sämtliche Abteilungen im Wahlvorstand vertreten seien, ist dieser Beschluss unwirksam. Die "Erforderlichkeit" einer Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder nach § 16 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist nicht gegeben.

Der Arbeitgeber kann die gerichtliche Feststellung beantragen, dass der Beschluss des Betriebsrats über die Einsetzung des Wahlvorstands unwirksam ist.

Diese Feststellung kann auch im Verfahren einer einstweiligen Verfügung getroffen werden; effektive Rechtsschutzgewährung gebietet in derartigen Fällen, in denen kein anderer Weg zur Verfügung steht, den Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung.

Die fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstandes hat die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge.

Zumindest dann, wenn die Wahl des Betriebsrats noch rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats durchgeführt werden kann, ist ein Abbruch der Wahl im Wege einstweiliger Verfügung auch dann möglich, wenn die Wahl im Falle ihrer Durchführung nicht nichtig, sondern nur anfechtbar wäre.


Landesarbeitsgericht Nürnberg 17.05.2013 5 TaBVGa 2/13

1. Eine Erhöhung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Zahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern setzt im Falle des § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einen Beschluss des Betriebsrats und im Falle des § 17 Abs. 2 Satz 1 2. HS BetrVG eine Abstimmung im Rahmen einer Betriebsversammlung voraus.

2. Sind mehr Kandidaten für die Wahl des Wahlvorstands vorgeschlagen, als der Wahlvorstand Mitglieder hat, muss zwingend eine Abstimmung darüber erfolgen, wer dem Wahlvorstand angehören soll. Erfolgt eine solche Abstimmung nicht, ist der Wahlvorstand nicht wirksam bestellt worden. (juris)


Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 05.04.2012 4 TaBVGa 1/12

1. Der Abbruch einer Wahl im Wege der einstweiligen Verfügung kommt bei fehlerhafter Bildung des Wahlvorstandes nur in Betracht, wenn der Errichtungsfehler derart schwerwiegend ist, dass der Wahlvorstand als Gremium rechtlich überhaupt nicht existent ist.

2. Jedenfalls im einstweiligen Verfügungsverfahren sieht sich die Beschwerdekammer an die Auffassung des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts gebunden, wonach allein die sichere Anfechtbarkeit der beabsichtigten Wahl einen Wahlabbruch nicht begründen kann. Dies gebietet der Grundsatz der Wahrung der Rechtseinheit, auch wenn Zweifel daran bestehen, ob die Sichtweise des 7. Senats zwingend ist. (juris)

LAG Niedersachsen 13. Oktober 2010 17 Sa 569/10

Bestellt der Betriebsrat 36 Wochen vor Beginn des gesetzlichen Wahlzeitraums gem. § 13 BetrVG einen Wahlvorstand, so ist die Berufung eines Wahlvorstandsmitglieds auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 (3) KSchG gegenüber einer mehr als 3 Monate später ausgesprochenen Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich.


LAG Düsseldorf 7.9.2010 16 TaBV 57/10

1. Der von einer Minderheit der Betriebsratsmitglieder gewählte Wahlvorstand ist nichtig.

2. Die nichtige Bestellung des Wahlvorstands führt dazu, dass eine von diesem durchgeführte Betriebsratswahl nichtig ist. (RechtsCentrum)


LAG Nürnberg 30.3.2006 6 TaBV 19/06

1. Bestellt der Betriebsrat eines Betriebes ohne Außenstellen einen neunköpfigen Wahlvorstand mit der Begründung, er wolle, dass sämtliche Abteilungen im Wahlvorstand vertreten seien, ist dieser Beschluss unwirksam. Die "Erforderlichkeit" einer Erhöhung der Zahl der Wahlvorstandsmitglieder nach § 16 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist nicht gegeben.

2. Der Arbeitgeber kann die gerichtliche Feststellung beantragen, dass der Beschluss des Betriebsrats über die Einsetzung des Wahlvorstands unwirksam ist.

3. Diese Feststellung kann auch im Verfahren einer einstweiligen Verfügung getroffen werden; effektive Rechtsschutzgewährung gebietet in derartigen Fällen, in denen kein anderer Weg zur Verfügung steht, den Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung.

4. Die fehlerhafte Besetzung des Wahlvorstandes hat die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl zur Folge.

5. Zumindest dann, wenn die Wahl des Betriebsrats noch rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des bisherigen Betriebsrats durchgeführt werden kann, ist ein Abbruch der Wahl im Wege einstweiliger Verfügung auch dann möglich, wenn die Wahl im Falle ihrer Durchführung nicht nichtig, sondern nur anfechtbar wäre.(RechtsCentrum)


Hessisches LAG 08.12.2005 9 TaBV 88/05

Betriebsratswahl; Nichtigkeit; Wahlvorstand; Bestellung; Gesamtbetriebsrat

1. Eine wirksame Erledigungserklärung setzt auch im betriebsverfassungsrechtlichen Beschlussverfahren ein zulässiges Rechtsmittel voraus.

2. Bestellt der Restbetriebsrat im Falle des Absinkens der Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG) keinen Wahlvorstand, ist der Gesamtbetriebsrat in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 BetrVG hierzu berechtigt. (RechtsCentrum)