§17 BetrVG Bestellung des Wahlvorstands in Betrieben ohne Betriebsrat

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§ 17 Bestellung des Wahlvorstands in Betrieben ohne Betriebsrat

Wird angewendet in allen Wahlverfahren. Abänderung für das vereinfachte Wahlverfahren durch §17a Ziff.3 und 4 BetrVG.


(1) Besteht in einem Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 erfüllt, kein Betriebsrat, so bestellt der Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Konzernbetriebsrat einen Wahlvorstand. § 16 Abs. 1 gilt entsprechend.

  • Vorrang der Bestellung durch GesBR bzw. KBR vor Betriebsversammlung (Absatz 2); andere Absprachen sind unzulässig.
  • Bleiben GesBR bzw. KBR nach Ablauf der Amtszeit eines Betriebsrats untätig, kann die Betriebsversammlung (Absatz 2) einen Wahlvorstand wählen.
  • Mitglieder des WVS sind nur wahlberechtigte AN des Betriebs, Mitglieder von GesBR bzw. KBR können nicht Mitglied des WVS werden.
  • Zutrittsrecht und Auskunftsanspruch für GesBR bzw. KBR zur Ausübung ihrer Aufgabe.


(2) Besteht weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat, so wird in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt; § 16 Abs. 1 gilt entsprechend. Gleiches gilt, wenn der Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat die Bestellung des Wahlvorstands nach Absatz 1 unterlässt.


(3) Zu dieser Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen.

  • Keine Formvorschriften für die Einladung; Inhalt mind.: Einladung, Ort, Zeit, Unterschriften der drei Einladenden; idealerweise per Aushang 2 Wochen vorher.
  • Muss die Einladung per Post zugesendet werden, trägt der Arbeitgeber die Kosten.
  • Eröffnung der Versammlung durch die Einladenden, ein Versammlungsleiter kann, muss aber nicht gewählt werden, wenn die Anwesenden mit der Leitung durch einen eröffnenden Arbeitnehmer einvcrstanden sind.
  • Teilnahmeberechtigt sind alle Arbeitnehmer des Betriebs, nicht jedoch die in §5 (2,3) BetrVG genannten Personen sowie Betriebsfremde.
  • Keine Mindest-Teilnehmerzahl erforderlich.
  • Die Abstimmung erfolgt formlos unter den Anwesenden Arbeitnehmern, jeder Kandidat für den Wahlvorstand muss die Mehrheit der Stimmen der anwesenden Arbeitnehmer erhalten.
  • Die Betriebsversammlung kann auch über eine höhere Zahl an Mitgliedern des WVS (immer ungerade!) entscheiden sowie Ersatzmitglieder bestellen (empfehlenswert).


(4) Findet trotz Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversammlung keinen Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

  • Wird die ordnungsgemäße Einladung durch den Arbeitgeber vereitelt, kann bereits der Weg zum Arbeitsgericht beschritten werden.


Praxis-Tipp

  • GesBR bzw. KBR haben nach neuerer Rechtsprechung kein Recht, eine Betriebsversammlung zur Bestellung bzw. Wahl eines WVS einzuberufen. Um keine Pleite aufgrund fehlender Kandidaten für WVS und BR bzw. Mandatsniederlegungen zu erleben, gelten die Anmerkungen zum „taktischen Vorgehen“ zu Kontaktaufnahme und Gewinnung von Kandidaten.
  • Die Einladenden sollten lieber eine längere Frist ansetzen sowie einen eher größeren als einen zu geringen Aufwand zur Einladung betreiben, da ansonsten die Anfechtbarkeit der Wahl drohen kann.
  • Auf der Einladung sollte darauf hingewiesen werden, dass sowohl Wegezeiten zur Versammlung als auch die Zeit der Versammlung als Arbeitszeit vergütet werden.
  • Die Versammlungsleitung erteilt und entzieht das Wort und übt das Hausrecht im Versammlungsraum sowie auf den zuführenden Wegen aus. Durch einen souveränen Auftritt sollte schon frühzeitig möglicher Unruhe vorgebeugt werden, wer aber die Versammlung nachhaltig stört, wird des Saales verwiesen. Auf Aufforderungen zum Abbruch der Versammlung bzw. zur Unterlassung der Wahl eines Wahlvorstandes (auch mehrheitliche) brauchen sich die Einladenden nicht einzulassen, da ein bestimmtes Mindest-Quorum zum Erreichen der Beschlussfähigkeit nicht vorgesehen ist. Bleiben am Ende nur die drei Einladenden übrig, so können sie wirksam einen Wahlvorstand wählen.
  • Für die Einladenden besteht ab Einladung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses bzw. wenn kein Wahlvorstand gewählt wird, bis Ablauf von 3 Monaten ein besonderer Schutz vor ordentlichen Kündigungen. Wollen mehr Wahlberechtigte einladen, so sollten auf den Aushängen/Schreiben nur drei offiziell Einladende namentlich genannt werden, da der Schutz auf diese beschränkt ist. Siehe auch die weiteren Ausführungen zum Schutz unter „taktisches Vorgehen“.
  • Es empfiehlt sich, eine ausreichende Zahl an Ersatzmitgliedern zu bestellen, denn falls ohne Ersatzmitglieder eines der Wahlvorstandsmitglieder ausscheidet, ist der Wahlvorstand handlungsunfähig und die Handlungsfähigkeit nur durch eine erneute Betriebsversammlung oder durch ein langwieriges gerichtliches Verfahren wieder herstellbar.

Rechtsprechung

Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 17.05.2013 5 TaBVGa 2/13

Unwirksamkeit einer Wahl des Wahlvorstandes

Leitsatz

1. Eine Erhöhung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Zahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern setzt im Falle des § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einen Beschluss des Betriebsrats und im Falle des § 17 Abs. 2 Satz 1 2. HS BetrVG eine Abstimmung im Rahmen einer Betriebsversammlung voraus.(Rn.7)

2. Sind mehr Kandidaten für die Wahl des Wahlvorstands vorgeschlagen, als der Wahlvorstand Mitglieder hat, muss zwingend eine Abstimmung darüber erfolgen, wer dem Wahlvorstand angehören soll. Erfolgt eine solche Abstimmung nicht, ist der Wahlvorstand nicht wirksam bestellt worden.(Rn.7)(juris)


Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 29.05.2013 3 TaBVGa 3/13

Personelle Ergänzung eines Wahlvorstands zur Betriebsratswahl - einstweiliger Rechtschutz

Leitsatz

Die gerichtliche Ergänzung eines funktionsunfähigen Wahlvorstands ist im Wege des einstweiligen Rechtschutzes nicht möglich.


BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 16.11.2011, 7 ABR 28/10 Berechtigung des Gesamtbetriebsrats zur Durchführung einer Informationsveranstaltung in betriebsratslosen Betrieben zum Zwecke der Bestellung eines Wahlvorstands

Leitsätze

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht berechtigt, in betriebsratslosen Betrieben zum Zwecke der Bestellung eines Wahlvorstands für die Durchführung einer Betriebsratswahl Informationsveranstaltungen durchzuführen, die den Charakter von Belegschaftsversammlungen haben.


Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 109/11

Die nicht rechtzeitige Einladung zur Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstands nach § 17 BetrVG kann zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl führen, wenn nicht sichergestellt ist, dass alle Arbeitnehmer des Betriebes von ihr Kenntnis nehmen können und dadurch die Möglichkeit erhalten, an der Betriebsversammlung teilzunehmen und an der Wahl des Wahlvorstandes mitzuwirken.


Landesarbeitsgericht Nürnberg 17.05.2013 5 TaBVGa 2/13

1. Eine Erhöhung der in § 17 Abs. 2 Satz 1 BetrVG vorgesehenen Zahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern setzt im Falle des § 16 Abs. 1 Satz 2 BetrVG einen Beschluss des Betriebsrats und im Falle des § 17 Abs. 2 Satz 1 2. HS BetrVG eine Abstimmung im Rahmen einer Betriebsversammlung voraus.

2. Sind mehr Kandidaten für die Wahl des Wahlvorstands vorgeschlagen, als der Wahlvorstand Mitglieder hat, muss zwingend eine Abstimmung darüber erfolgen, wer dem Wahlvorstand angehören soll. Erfolgt eine solche Abstimmung nicht, ist der Wahlvorstand nicht wirksam bestellt worden. (juris)


Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 11. Januar 2013 9 TaBVGa 2/12

Die Einladung zu einer Betriebsversammlung, welche das Ziel der Wahl eines Wahlvorstandes für einen Betriebsrat hat, gehört zu den im Betriebsverfassungsgesetz genannten Aufgaben bzw. Befugnisse einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs 2 BetrVG. Der Gewerkschaftssekretär der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft hat insofern einen Anspruch auf Zutritt zu den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, um eine Einladung zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes auszuhängen. (juris)


ArbG Aachen 08. November 2012 9 BVGa 11/12

1. Dem Vertretensein einer Gewerkschaft im Betrieb i. S. des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts zum Betrieb nach §§ 2, 17 BetrVG zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach Bekanntwerden der Betriebsratswahlinitiative sämtlichen namentlich benannten Gewerkschaftsmitgliedern außerordentlich kündigt, jedenfalls insofern noch Kündigungsschutzverfahren über die Rechtswirksamkeit der Kündigungen anhängig sind.

2. Der Verfügungsgrund für eine einstweilige Verfügung zur Sicherung des gewerkschaftlichen Zutrittsrechts zum Betrieb zur Vorbereitung einer Betriebsratswahl ist dann regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitgeber der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft den Zutritt generell verwehrt, wohingegen der Verfügungsgrund regelmäßig abzulehnen ist, wenn der Arbeitgeber lediglich einem einzelnen Gewerkschaftsbeauftragten aus in dessen Personen begründeten Umständen ein Hausverbot erteilt. (juris)