§18 BetrVG Vorbereitung und Durchführung der Wahl

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§18 Vorbereitung und Durchführung der Wahl

(1) Der Wahlvorstand hat die Wahl unverzüglich einzuleiten, sie durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen. Kommt der Wahlvorstand dieser Verpflichtung nicht nach, so ersetzt ihn das Arbeitsgericht auf Antrag des Betriebsrats, von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.

  • Unverzüglich bedeutet, dass die Wahl ohne schuldhaftes Verzögern mit dem Erlass des Wahlausschreibens einzuleiten ist.
  • Der Wahlvorstand soll die Wahl so zügig durchführen, dass der neu gewählte BR sein Amt mit Ablauf der Amtszeit des bestehenden BR antreten kann.
  • Die Ersetzung des Wahlvorstandes durch das Arbeitsgericht kann auch hier nur auf Antrag geschehen.

Praxis-Tipp: "unverzüglich"

Unverzüglich bedeutet nicht, dass der WVS sofort nach Bildung und gänzlich ohne Informationen und Schulung das Wahlausschreiben erlassen muss. Er sollte jedoch immer seine Zeitplanung dahingehend prüfen, dass aufgrund des Endes der Amtszeit des amtierenden Betriebsrats keine betriebsratslose Zeit entsteht.


(2) Ist zweifelhaft, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, so können der Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen.

  • Diese Frage ist unbedingt vor der Wahl zu klären, da eine fehlerhafte Einschätzung zu einer Anfechtung führen kann. Insbesondere nach Umstrukturierungen relevant.
  • Fragen:
    • Liegt durch räumliche Zusammenlegung zweier bisher unabhängiger Betriebe ein einheitlicher Betrieb vor?
    • Bilden mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb?
    • Sind Betriebsteile selbständig oder unselbständig?

Praxis-Tipp: Definition des Betriebes

Die Frage, welche Betriebsteile an der Wahl teilnehmen müssen bzw. können, sollte der WVS in jedem Falle mithilfe eines Rechtsanwaltes klären.


(3) Unverzüglich nach Abschluss der Wahl nimmt der Wahlvorstand öffentlich die Auszählung der Stimmen vor, stellt deren Ergebnis in einer Niederschrift fest und gibt es den Arbeitnehmern des Betriebs bekannt. Dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist eine Abschrift der Wahlniederschrift zu übersenden.

  • Der Wahlvorstand hat direkt im Anschluss an das Ende der Stimmabgabe die Stimmzettel auszuzählen und das Ergebnis in der Wahlniederschrift festzuhalten. Es muss sichergestellt sein, das die Betriebsöffentlichkeit an der Auszählung beobachtend teilnehmen kann.
  • Mit der Feststellung der endgültig gewählten BR-Mitglieder und der Wahlniederschrift steht das Wahlergebnis fest. Die Bekanntgabe des Ergebnisses gegenüber der Belegschaft erfolgt durch zweiwöchigen Aushang. Der AG und Gewerkschaften haben je eine Abschrift der Wahlniederschrift zu erhalten (unverzüglich nach Erstellung der Wahlniederschrift; das endgültige Ergebnis wird ebenfalls mitgeteilt).
  • Mit der Bekanntgabe ist die BR-Wahl beendet. Der Wahlvorstand hat nun die Mitglieder des gewählten BR zu der konstituierenden Sitzung einzuberufen.


Praxis-Tipp: Öffentliche Stimmauszählung

Das Prozedere der Auszählung und Sitzberechnung sollte vorher so oft geübt werden, dass dem WVS in der eigentlichen Auszählung keine Fehler unterlaufen. Alle Mitglieder des WVS achten darauf, dass keine Fehler entstehen und alle Handlungsschritte offen und transparent erfolgen.

Das Ergebnis der Wahl kann als „vorläufiges Ergebnis“ bekanntgegeben werden, so lange sich die Gewählten noch nicht geäußert haben, ob sie die Wahl annehmen. Wichtig: lehnt ein Gewählter die Wahl ab, so muss dem nächsten Nachrücker ebenfalls die 3-Tage-Frist eingeräumt werden. Es kann also u.U. einige Zeit dauern, bis das endgültige Ergebnis feststeht.



Rechtsprechung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.11.2013 5 TaBVGa 2/13

Einstweilige Verfügung - Zugangsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb - Unterstützung des Wahlvorstandes für die Betrieb

Leitsatz

1. Der Wahlvorstand für die Wahlen zum Betriebsrat hat das Recht, Beauftragte der im Betrieb vertretenen Gewerkschaft als Berater zur Begleitung und Unterstützung der Betriebsratswahl zu seinen Sitzungen hinzuzuziehen (vgl. Richardi-Thüsing § 16 BetrVG RNr. 53, Richardi § 2 BetrVG RNr. 106, ErfK-Koch § 18 BetrVG RNr. 1).(Rn.27)

2. Der Arbeitgeber kann das Zugangsrecht der Gewerkschaft zu den Betriebsräumen nicht dadurch abwehren, dass er dem Wahlvorstand und der Gewerkschaft anbietet, die Sitzungen außerhalb des Betriebsgeländes durchzuführen, denn der Wahlvorstand kann seinen Aufgaben regelmäßig nur dann ordnungsgemäß nachkommen, wenn er seine Sitzungen im Betrieb durchführt.(Rn.36)


Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 10.12.2013 7 TaBV 85/13

Zur Erforderlichkeit der Beauftragung von Rechtsanwälten für die Einleitung eines Beschlussverfahrens

Orientierungssatz

1. Die in § 20 Abs 3 BetrVG geregelte Verpflichtung des Arbeitgebers zur Tragung der Kosten einer Betriebsratswahl erstreckt sich auch auf solche Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung arbeitsgerichtlicher Beschlussverfahren im Vorfeld einer Betriebsratswahl anfallen können. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers aus § 20 Abs 3 BetrVG ist nämlich nach den Grundsätzen zu beurteilen, die zu § 40 Abs 1 BetrVG aufgestellt worden sind, also in gleicher Weise wie Kosten der Betriebsratsarbeit.(Rn.52)

2. "Unverzüglich" iSd § 18 Abs 1 S 1 BetrVG meint einen Zeitraum, der sich nach den besonderen Umständen des konkreten Einzelfalls bestimmt.(Rn.55)(juris)


Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 08.04.2014 7 Ta 101/14

Einstweilige Verfügung; Abbruch der Betriebsratswahl; Betriebsbegriff

Leitsätze

1. Der Abbruch einer Betriebsratswahl im Wege der einstweiligen Verfügung kommt nur in Betracht, wenn die Wahl voraussichtlich nichtig ist (Anschluss an BAG vom 27.07.2011, 7 ABR 61/10).

2. Dies gilt umso mehr, wenn die Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Wahl damit begründet werden, der Wahlvorstand habe den Betriebsbegriff verkannt bzw. die betriebsratsfähigen Organisationseinheiten fehlerhaft abgegrenzt; denn in§ 18 Abs.2 BetrVG sieht der Gesetzgeber gerade für solche Fälle ein besonderes Klärungsverfahren vor.


BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 9.12.2009, 7 ABR 38/08 Betrieb - Betriebsteil - betriebsratsfähige Organisationseinheit - Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz


Landesarbeitsgericht Hamm, 10 TaBV 55/11

Anfechtung einer Betriebsratswahl; Verkennung des Betriebsbegriffs; gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen; einheitlicher Leitungsapparat in personellen und sozialen Angelegenheiten; Beteiligung der betroffenen Unternehmen; Feststellungsinteresse


ArbG Frankfurt 24.01.2012 13 BVGa 32/12

1. Die in einem Verfahren gemäß § 18 Abs 2 BetrVG in einer zweitinstanzlichen Entscheidung getroffenen Feststellungen zum Betriebsbegriff müssen vom Wahlvorstand bei der Durchführung einer Betriebsratswahl auch dann zugrunde gelegt werden, wenn gegen diese Entscheidung Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt ist.

2. Geht der Wahlvorstand bei der Vorbereitung der Betriebsratswahl von einem hiervon abweichenden Betriebsbegriff aus, so liegt eine offensichtliche Verkennung des Betriebsbegriffs vor. Der Abbruch der auf diese Weise eingeleiteten Betriebsratswahl kann im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden. (juris)


Hessisches Landesarbeitsgericht 01. September 2011 9 TaBV 16/11

Betriebsbegriff - Feststellung von eigenständigen betriebsratsfähigen Organisationseinheiten

1. Ein Betrieb im Sinne des BetrVG ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.

2. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb im Sinne von § 1 Abs 1 BetrVG. (juris)