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Gesetzlicher Rahmen

Potentielle Kandidaten für den Betriebsrat müssen das passive Wahlrecht besitzen (§8 BetrVG Wählbarkeit). Faustformel: Name ist auf Wählerliste aufgeführt + mind. 6 Monate Betriebszugehörigkeit. Die weiteren Vorgaben des Gesetzes (Minderheitengeschlecht, Vertretung der verschiedenen Organisationsbereiche und Beschäftigungsarten; §15 BetrVG) sollten zwar insgesamt beachtet werden, da jedoch das Gesetz für den Fall, dass die Vorgaben nicht erfüllt wurden, entsprechende Regelungen enthält, können diese Vorgaben im Zweifel bei der Suche nach Kandidaten auch einmal unbeachtet bleiben.

Obwohl technisch möglich, hat es sich nicht bewährt, gewünschte Kandidaten zunächst auf einen Wahlvorschlag/ eine Vorschlagsliste (§6 WO, §33 WO, §36 (5) WO) zu setzen und anschließend ihre schriftliche Zustimmung einzuholen (§6 (3) WO). Da auch spätere Rücknahmen zu Unruhe führen und ein mögliches Einfallstor für eine Ungültigkeit der Liste darstellen, sollten alle Beteiligten sicher sein, dass sie die Kandidatur auch wirklich wollen.


Wie bekommen wir genügend Kandidaten zusammen?

Die vom Gesetz geforderte doppelte Anzahl an Kandidaten, als wie für den Betriebsrat benötigt werden, ist besonders in Betrieben mit hoher Fluktuation und bei einer hohen “Umfaller”-Quote im Betriebsrat sinnvoll. Jedoch kann von dieser Soll-Vorschrift ohne Weiteres abgewichen werden. Finden sich weniger Kandidaten, als das Gesetz an Mitgliedern für den Betriebsrat vorsieht, so korrigiert der Wahlvorstand die Größe des zu wählenden Betriebsrats auf die nächst tiefere Stufe.

Eine geringe Zahl an Kandidaten muss also nicht unbedingt ein Problem darstellen. Gleichwohl ist es natürlich ratsam, wenn für ein ausreichend großes “Reservoir” an Ersatzmitgliedern gesorgt wird.

Aus Sicht des BR geeignete Kandidaten werden am besten direkt und in einem geschützten und entspannten Rahmen angesprochen. Das Gremium kann vorher mögliche Kandidaten zusammentragen. Dabei bieten sich all jene an, die schon einmal durch besonderes Engagement für die Belange der Kollegen, kritische Beiträge, Einsatz für soziale Belange und ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl “aufgefallen” sind. Vielfach fühlen sich solche KollegInnen geradezu geehrt und geschmeichelt, wenn sie von einem Betriebsratsmitglied gebeten werden, zu kandidieren.

Eine gute Möglichkeit der Einbindung und Heranführung ist die Bildung von Arbeitsgruppen nach §28a BetrVG. Hier können interessierte Nicht-Betriebsratsmitglieder schon mal “Betriebsratsluft” schnuppern und so herausfinden, ob eine Tätigkeit als Vollmitglied für sie infrage kommt.


Müssen die Betriebsratsmitglieder wieder kandidieren?

Selbstverständlich kann kein BR-Mitglied gezwungen werden, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Etliche Betriebsräte setzen die Suche nach Kandidaten auf ihre Tagesordnung und diskutieren dabei auch die möglichen Kandidaten aus dem Gremium. Dabei können Gruppen- und Offenbarungsdruck entstehen, die beim einzelnen Mitglied zu erheblicher Abwehr führen können. Damit eine solch „offizielle“ Kandidatensuche nicht mehr schadet als nützt, sollte daher lieber informell und völlig zwanglos über mögliche Kandidaturen gesprochen werden.

Die Betriebsratmitglieder sollten sich jedoch darüber bewusst sein, dass sie nur für ein Jahr nach Ende ihrer jetzigen Amtszeit durch den nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz geschützt sind; danach werden sie wie alle anderen Arbeitnehmer auch behandelt, was jedoch in der Praxis nicht immer der Fall ist. Oftmals besteht die Befürchtung zu Recht, dass nach Ablauf dieser „Schonfrist“ alte Rechnungen für das Verhalten während der Amtszeit beglichen werden. Es kann daher auch aus Gründen des Selbstschutzes sinnvoll sein, eine weitere Amtszeit anzustreben.

Vielfach sind die Mitglieder aber auch nicht wirklich zufrieden mit der zurückliegenden Amtszeit und fragen sich, ob sie sich das „nochmal antun“ sollen. Das Gefühl von Anstrengung und Frustration ist aber ein hilfreicher Hinweis für sich selbst wie für das Gremium, dass Verbesserungspotential besteht. Der Einschnitt einer Wahl bietet eine gute Möglichkeit, Altes einer kritischen Prüfung zu unterziehen und gemeinsam zu überlegen, wie die neue Amtszeit zufriedenstellender und erfolgreicher verlaufen kann. Einige nützliche Tipps dazu finden sich im Artikel “Zehn vermeidbare Fehler am Beginn einer Betriebsratsamtszeit”.

Sorgen vs. gute Argumente

Bei der Werbung von Kandidaten können meist viele gute Argumente angeführt werden, die für die Tätigkeit im Betriebsrat sprechen. Allerdings müssen diese vom Werber zusammengestellten Argumente nicht immer zur Perspektive des potentiellen Kandidaten passen und können sogar kontraproduktiv sein, wenn z.B. die politische Einstellung eine andere ist.

Die Argumente sollten daher eher allgemein gehalten werden, so dass sie der Kandidat mit eigenen Vorstellungen ausfüllen kann. Mögliche Argumente:

  • Arbeitsbedingungen mitgestalten
  • Für Fairness und Transparenz sorgen
  • Arbeitsplätze und Betriebserfolg sichern


Mindestens ebenso gewichtig sind bei der Entscheidungsfindung die Sorgen, die für potentielle Kandidaten mit Kandidatur und Betriebsratsamt verbunden sind. Diese sollten erfragt werden, um dann einfühlsam informierend darauf eingehen zu können. In keinem Fall sollten die auftauchenden Sorgen abgetan oder kleingeredet werden. Mögliche Fragen:

  • Was spricht aus Deiner Sicht gegen ein Amt im Betriebsrat?
  • Welche Nachteile könnten aus Deiner Sicht eintreten?
  • Was könnte Dich ganz sicher von einer Kandidatur abhalten?
  • Wo hast Du beim Gedanken an den Betriebsrat Bauchschmerzen?
  • Welche Fragen müssen erst noch zufriedenstellend beantwortet sein, ehe Du eine Kandidatur ernsthaft in Erwägung ziehst?
  • Was könnte schlimmstenfalls eintreten, wenn Du in den Betriebsrat gehst? Was darf auf gar keinen Fall passieren?


Üblicherweise tauchen folgende Sorgenthemen auf, auf die sich der Werber bereits im Vorfeld vorbereiten kann:

  • Ich schaffe meine eigentliche Arbeit nicht mehr.
  • Meine Karriere erhält einen Dämpfer.
  • Ich erhalte nicht mehr meine Zulagen, Boni usw.
  • Meine Kollegen/mein Vorgesetzter werden mich nicht mehr mögen.
  • Mit meiner Meinung habe ich keine Chance gegen die Hardliner im Betriebsrat.
  • Der Betriebsrat kostet so viel Geld.
  • Ich weiß gar nicht, ob das etwas für mich ist.
  • Ich habe doch gar keine Ahnung davon.
  • Der Arbeitgeber wird mich irgendwie dafür bestrafen.
  • Ich mag diese dauernden Streitereien überhaupt nicht.


Neben der wichtigen Risikoabschätzung ist auch die Betrachtung individueller Chancen von großer Bedeutung. Hier geht es nicht nur um die persönlichen Motive bei der Erreichung der bereits genannten übergeordneten Ziele wie Fairness, Mitgestaltung etc., sondern um individuelle, meist sogar als egoistisch und unlauter verpönte Vorteile, die als Betriebsratsmitglied aus dem Amt zu ziehen sind:

  • Kündigungsschutz
  • Macht, Ansehen, Respekt, Bedeutung
  • Weitgehend freie Gestaltung der Betriebsratszeit ohne Weisungsberechtigte
  • Umfangreicher Fortbildungsanspruch auf Kosten des Arbeitgebers
  • Aufbau berufsfremder und allgemein förderlicher Kompetenzen
  • Weniger Arbeitszeit am Arbeitsplatz
  • Mehr Informationen
  • Einfluss auf die eigenen Arbeitsbedingungen
  • Mehr Geld durch Kopplungsgeschäfte
  • Unbeobachtetes Arbeiten ohne den üblichen Leistungsdruck
  • Begleichung von offenen Rechnungen mit Vorgesetzen und Arbeitgeber
  • Freiere Meinungsäußerung